Stoffwindeln sind im Kommen

So abschreckend sie einmal gewesen sein mögen, so praktisch und pflegeleicht sind sie heutzutage und sehen zusätzlich um Welten besser aus, als die Wegwerfvariante.

Wer sich in den Stoffwindel – Dschungel hineinbegibt, gehört nach wie vor zu einer kleinen Gruppe, denn Stoffwindeln machen bis jetzt nur einen Marktanteil von ca. 5% aus. Doch Stoffwindeln sind im Kommen und in den letzten Jahren konnte die Stoffwindel der Wegwerfwindel zunehmend Konkurrenz machen. Je mehr veraltete Vorstellungen in den Köpfen verschwinden, umso mehr nehmen Stoffwindeln an Attraktivität zu.

Noch immer halten sich hartnäckig Vorurteile und Mythen über die Stoffwindel, so zum Beispiel:

 

  1. Stoffwindeln stinken

Stoffwindeln werden vor der Lagerung vom gröbsten Schmutz befreit, das bedeutet, das große Geschäft kommt dorthin, wo es hingehört: in die Toilette. Die Stoffwindeln werden in sogenannten Wetbags (Nasstaschen), die aus einem mit Polyurethan beschichteten Stoff bestehen, bis zu 3 Tage gelagert. Dann werden die Windeln hygienisch sauber gewaschen. Die beschichteten Wetbags sorgen dafür, dass die Windeln gut durchlüftet aufbewahrt werden, sind aber dabei geruchs- und auslaufsicher.

 

  1. Stoffwindeln sind pflegeintensiv

Einweichen und Auskochen von Stoffwindeln, das war einmal. Auch müssen moderne Stoffwindeln heutzutage nicht mehr von Hand gewaschen werden, sondern werden ganz einfach in der Waschmaschine mit einem Waschprogramm bei einer Temperatur von 60°C gereinigt. Für das Waschen der Windeln ist ein handelsübliches Vollwaschmittel ausreichend. Bestandteile der Windel ohne PUL oder Wolle können sogar im Trockner getrocknet werden. Stoffwindeln aus Wolle können durch die selbstreinigende Eigenschaft von Wolle sogar 3-4 Wochen lang verwendet werden, wenn sie zwischen den Wickelintervallen ausgelüftet werden. Gewaschen werden sie dann mit einem passenden Wollwaschmittel im Wollwaschprogramm. Im Anschluss müssen die Wollwindeln in ein Wollfettbad gegeben werden, um ihre wasserabweisende Eigenschaft zurückzugewinnen.

 

  1. Stoffwindeln haben eine schlechte Ökobilanz

Stoffwindeln werden gewaschen und verbrauchen somit Wasser und Waschmittel – ergibt sich da nicht eine gleichwertige Ökobilanz, wie bei einer Wegwerfwindel? Ganz klar: Nein. Getreu dem Grundsatz: Reduce – Reuse – Recycle bieten Stoffwindeln unschlagbare ökologische Vorteile gegenüber einer Wegwerfwindel, denn sie sind wiederverwendbar, vermeiden somit Tonnen von Müll aus Wegwerfwindeln und können im Anschluss an die Wickelzeit sogar recycelt werden.

Eine Wegwerfwindel kann keine der genannten Punkte erfüllen. Ein mit Wegwerfwindeln gewickeltes Kind produziert in den 2-3 Jahren Wickelzeit etwa 1000 kg Windelmüll. Dieser Müll kann mit den zur Verfügung stehenden Mitteln derzeit nicht recycelt werden, in Deutschland wird dieser Windelmüll verbrannt. Da ein Hauptbestandteil der Wegwerfwindeln, der Superabsorber, allerdings brandhemmend wirkt, muss weitere Energie hinzugefügt werden, um den Müll brennbar zu machen. Somit verbraucht die Wegwerfwindel nicht nur in der Herstellung Ressourcen, sondern auch bei ihrer Entsorgung.

Die übrig gebliebenen Reststoffe der Verbrennung müssen darüber hinaus als giftiger Sondermüll in Salzstöcken endgelagert werden. Unökologischer geht es kaum.

Auch Stoffwindeln verbrauchen bei ihrer Herstellung Ressourcen, allerdings kann eine Stoffwindel über mehrere Jahre hinweg viele Kinder kleiden und somit auch nach dem Ende der eigenen Wickelzeit weitergegeben und weitergenutzt werden.

Sollte sie irgendwann verschlissen sein, kann der Stoff immer noch recycelt werden und bekommt so ein neues Leben. Lediglich Material mit PUL muss am Wickelende über den Restmüll entsorgt werden. Wir leben nicht in einem Wassermangelgebiet, dennoch ist Wasser sparen wichtig.

Viel wichtiger ist jedoch, das Wasser dass wir zur Verfügung haben, nicht unnötig zu verschmutzen und zu belasten. Besonders beim Waschmittel kann man daher auf ein ökologisches Waschmittel oder ein Baukastensystem zurückgreifen und auf unnötige Zusatzstoffe wie Hygiene- oder Weichspüler verzichten, um die Gewässer nicht unnötig zu belasten.

Wasserverbrauch als Ausrede für Wegwerfprodukte macht allerdings noch weniger Sinn, denn Ressourcen in Einwegprodukten zu vernichten kann niemals ökologischer sein, als sie weiterzunutzen.

 

  1. Stoffwindeln sind teuer

Je nachdem für welches Stoffwindelsystem und welchen Hersteller Du Dich entscheidest, kosten Stoffwindeln in der Erstanschaffung zwischen 350 € bis 800 €. Hier ist alles mit eingerechnet, was Du für das Wickeln mit Stoff benötigst. Zusätzlich kalkuliert man über die gesamte Wickelzeit für das Waschen und Trocknen noch einmal 150 € pro Kind.

Der hohe Anschaffungspreis relativiert sich aber, wenn man davon ausgeht, dass die angeschafften Stoffwindeln mitwachsend sind und somit über die gesamte Wickelzeit von Geburt bis zum Trockenwerden genutzt werden können. Und darüber hinaus können die Stoffwindeln an Geschwisterkinder weitergegeben oder aber wiederverkauft werden, so dass sich die gesamten Kosten pro Kind noch einmal reduzieren.

Demgegenüber liegen die Kosten bei Wegwerfwindeln, je nachdem für welche Marke Du Dich entscheidest, pro Kind bis zum Trockenwerden zwischen 700€ bis 1.500€. Folglich sind Stoffwindeln im Vergleich zu Wegwerfwindeln nicht nur die nachhaltigere, sondern auch die günstigere Alternative

 

  1. Stoffwindeln sind langweilig

Die Welt der Stoffwindeln ist heute vielfältig und bunt. Während früher Beige und Weiß als Farben dominierten, machen die modernen Stoffwindeln mit ihren zahlreichen süßen Designs den hübsch verpackten Babypo auf jeden Fall zu einem Hingucker. Es gibt alles, von Tier-, Blumen-, Bagger-, Weltraummotive, geometrische Muster oder einfarbige Windeln. Bei den vielen tollen Designs querbeet durch alle Systeme und Hersteller, hast du die Qual der Wahl.

 

  1. Stoffwindeln sind kompliziert

Komplizierte Falttechniken? Steife Gummihosen oder die berühmte Sicherheitsnadel – so stellt man sich eine Stoffwindel vor. Moderne Stoffwindeln sind mittlerweile so einfach nutzbar wie Wegwerfwindeln. Baby drauf, Windel schließen, wechseln, waschen. Je nach System benötigt man mehr oder weniger Vorbereitungszeit, hat dafür aber die Auswahl zwischen diversen Materialien, die Babys Haut berühren und kann mehr oder weniger Geld in die Stoffwindeln investieren. Für jeden Bedarf und jeden Po gibt es die richtige Stoffwindel und ein passendes System. Welche Systeme es gibt und welche Vor- bzw. Nachteile sie jeweils bieten erfährst du unter „Wie funktionieren Stoffwindeln?“.

 

  1. Stoffwindeln sind unbequem

Bei einer Stoffwindel kannst Du bei jedem Windelwechseln entscheiden, welches Material an die Haut deines Babys kommt. Gegenüber Wegwerfwindeln, in denen die Luft nicht zirkulieren kann, sind Stoffwindeln atmungsaktiv. Mit einer Temperatur von bis zu 2 Grad weniger in der Windel, herrscht für die Babys in der Stoffwindel ein angenehmes Windelklima, so dass sie im Windelbereich so gut wie nicht schwitzen. Subjektiv betrachtet mag es scheinen, dass Stoffwindeln aufgrund der Windelpaket-Dicke gegenüber Wegwerfwindeln die Beweglichkeit des Kindes einschränken. Jedoch ist hierbei zu beachten, dass Wegwerfwindeln beim Anlegen zwar schön dünn sind, aber dann durch das Aufquellen des Superabsorbers in der Windel am Po des Babys dicker werden. Wohingegen bei Stoffwindeln das maximale Volumen schon beim Anlegen erreicht ist. Folglich schränkt die Stoffwindel die Beweglichkeit Deines Kindes also genauso viel oder wenig ein wie bei einer Wegwerfwindel. Darüber hinaus bietet das breitere Wickeln besonders bei Neugeborenen einen klaren Vorteil für die Hüftentwicklung.

 

Wie funktionieren Stoffwindeln?

Moderne Stoffwindeln bestehen, wie auch die Wegwerfwindel, aus einem Nässeschutz und einem Saugkern. Der Nässeschutz kann dabei mit dem Saugkern verbunden oder aber separat sein, daraus ergeben sich die verschiedenen Stoffwindelsysteme. Je nach Bedarf bieten sie gewisse Vorteile, die es ermöglichen, für jeden das ideale Stoffwindelpaket zu finden.

Sind Nässeschutz und Saugkern fest miteinander verbunden, spricht man von einem einteiligen System oder einer All-in-One (AIO). Sie gleicht der Wegwerfwindel im Handling und ist das simpelste System. Da man hier allerdings genügend Windeln für etwa 3 Tage Wickeln benötigt und die AIO am kostenintensivsten ist, sind die Kosten für dieses System auch am höchsten.

Ein weiteres Pendant ist die Pocketwindel. Hier wird das Saugmaterial in einer Tasche (daher der Name) verstaut. So kann er nicht verrutschen und die Windel gleicht einer AIO. Allerdings kann das Saugmaterial zum Trocknen entnommen werden und ist so besonders für Familien ohne Trockner geeignet, die ein möglichst simples System, u.a. auch für Kita oder Großeltern suchen.

Sind Nässeschutz und Saugkern voneinander trennbar, spricht man vom zweiteiligen System oder auch All-in-2 (Ai2). Die vor Nässe schützende Überhose wird über das Saugmaterial gezogen. Dieses kann aus schlichten Mullwindeln, mehrtägig vernähten Faltwindeln (den sogenannten Prefolds), geformten Einlagen oder auch einer Höschenwindel bestehen. Höschenwindeln sind die saugstärksten Optionen, sie bestehen aus komplett saugfähigem Material und sind somit besonders für nachts oder lange Wickelintervalle wie z. B. auf Reisen geeignet.

Der große Vorteil des zweiteiligen Systems ist die große Vielfalt an Materialien und Kombinationsmöglichkeiten. So kann je nach Bedarf das Saugmaterial und somit die Saugleistung der Windel angepasst werden. Beim Wickeln wird das Saugmaterial ausgetauscht, die Überhose kann, wenn sie nur mit Urin in Kontakt gekommen ist, weitergenutzt werden. So spart man Wäsche und Kosten.

Auch einknöpfbare Varianten gibt es, sie werden als Snap-in-One (SIO) bezeichnet.

Das dreiteilige System, oder auch All-In-Three (AI3) komplettiert die Systeme. Die Windel besteht aus einer formgebenden Überhose, einer einknöpfbaren wasserdichten Wanne und einer Einlage als Saugkern. Bei Bedarf kann auch eine Wegwerfeinlage eingelegt werden, was die Windel zum Hybridsystem macht. Beim Wickeln wird das Saugmaterial gewechselt, bei Bedarf auch die Wanne. Somit spart die Ai3 viel Wäsche. Darüberhinaus sind die Windeln besonders wenig auftragend und sitzen sehr gut. Dafür gibt es sie in mehreren Größen, meist S, M, L, XL, und nicht in der mitmachenden Onesize Größe, wie die anderen Modelle.

Näheres findest du hier: https://deine-stoffwindel.com/wie-funktionieren-stoffwindeln/

 

Wo kann ich Stoffwindeln kaufen?

Stoffwindeln findet man vorrangig in Onlineshops. In größeren Städten bieten auch einzelne kleinere Shops mit ausgewählter Kinderkleidung auch Stoffwindeln an, jedoch ist das meist eher die Seltenheit. Auch Drogerien haben mittlerweile die waschbaren Mehrwegwindeln in ihr Sortiment aufgenommen, dies ist allerdings meist auf eine einzelne Marke oder aber waschbare Schwimmwindeln begrenzt.

Wer eine breite Auswahl an Systemen und Materialien sucht wird unter anderem bei folgenden Anbietern fündig:

www.stoffywelt.de

www.die-besten-stoffwindeln.de

www.fratzhosen.de

www.1bis3.de

www.ananas.shop

Wer auf der Suche nach Naturmaterialien ist wird besonders hier fündig:

www.allerleiwindeln.de

 

Mission Windelzuschuss

Wem die Anschaffungskosten für Stoffwindeln zu hoch sind, kann den Stoffwindelzuschuss des Landkreises oder der Stadt Aschaffenburg nutzen. Jeweils 150 € im ersten und zweiten Lebensjahr werden bei Nutzung von Mehrwegwindeln oder einem Windeldienst erstattet. Einfach die Geburtsurkunde samt Rechnung eines Windeldienstes oder des Stoffwindelkaufs zusammen mit dem Antrag auf Erstattung einreichen und Geld zurück erhalten. Alle Infos zum Zuschuss  gibt es hier:

Landkreis Aschaffenburg  https://www.landkreis-aschaffenburg.de/wer-macht-was/abfallwirtschaf/abfallwirtschaf/muelltonnengeb/zuschuesse/

den Antrag findest du hier: https://www.landkreis-aschaffenburg.de/service/formulare/abfallwirtschaf/

 

Stadt Aschaffenburg  https://www.aschaffenburg.de/dokumente/Verwaltung/Formulare-/Informationsblatt-zum-Windelzuschuss.pdf

den Antrag findest du hier: https://www.aschaffenburg.de/dokumente/Verwaltung/Formulare-/Zuschussantrag-fuer-Mehrwegwindeln.pdf

 

Stoffwindeln im Alltag – ein Erfahrungsbericht

Das Thema Nachhaltigkeit nahm mit der Geburt unseres ersten Kindes an Relevanz zu. Wer sich Gedanken um die Zukunft des eigenen Kindes macht, kommt automatisch an Umweltfragen nicht vorbei. So waren Stoffwindeln eigentlich gar kein Thema für mich, denn auch ich hatte veraltete Vorstellungen und Vorurteile im Kopf.

Doch mit zunehmender Recherche war klar – Stoffwindeln werden uns auf unserem Wickelweg begleiten.

Als Leitung einer Kindertagesstätte hatte ich etliche volle Windeleimer gesehen und gerochen und unzählige Kinder bereits mit Wegwerfwindeln gewickelt. Meine sehr empfindliche Nase machte es mir nicht leichter und der extreme Eigengeruch einer Wegwerfwindel war für mich schon immer unangenehm. Auch die Müllberge schreckten mich ab und ließen mich zur waschbaren Alternative tendieren. Den ausschlaggebenden Unterschied machten für mich dann aber, neben den unzähligen wunderschönen Designs, die gesundheitlichen Aspekte.

Da beide Kinder zu Beginn breit gewickelt werden mussten, kam die Stoffwindel wie gerufen. Die Aufregung war groß, schon bald kam die Übung und die Stoffwindel  wurde unser treuer Wegbegleiter, mittlerweile auch beim zweiten Kind. Wir wickelten ab Tag 3 mit Stoffwindeln, tags und nachts, unterwegs und sogar auf Reisen, probierten immer wieder neue Materialien und Systeme aus und fanden schließlich unsere persönlichen Favoriten.

Da mich die Stoffwindel so positiv überrascht hatte und ich andere Familien für die Stoffwindel begeistern wollte, entstand parallel zur Geburt unserer Tochter mein YouTube – Kanal „Aennecken“, auf dem ich von unseren Erfahrungen berichte und die Stoffwindel Hauptbestandteil ist. Besonders spannend war vor allem der Aspekt der Sauberkeitserziehung für mich, so war unsere Tochter bereits mit 2 Jahren tags wie nachts trocken und bestätigte somit die Auffassung, dass Stoffwindeln dazu beitragen, ein besseres Körpergefühl zu entwickeln und somit auch dazu beitragen, das Kinder früher trocken werden können.